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Globalisierungsgegner auf hoher See
Pirates of the Caribbean: At World’s End von Gore Verbinski

 

Es ist ein Blockbuster-Sommer im Zeichen der drei: Zwischen Spider-Man 3 und Shrek the Third setzt nun der dritte Teil der Piratensage Segel auf die Kinokassen. – Im Grunde ist so ein Pirat ja keine sonderlich sympathische Figur: Er verbringt den Tag damit, unbescholtene Seefahrer zu überfallen und auszurauben, versenkt ihre Schiffe, plündert ihr Hab und Gut, macht sich über ihre Frauen her – kurz: mit solchen Kerlen möchte man eigentlich nichts zu tun haben. Dennoch erfreuen sich die Raubritter der christlichen Seefahrt im Kino immer mal wieder grosser Popularität, und Jack Sparrow und seine Gefährten stechen diesen Sommer bereits zum dritten Mal in See.

Das Rezept, wie man aus einem Verbrecher eine sympathische Figur macht, ist einfach: Man besetze ihn mit einem Charmebolzen vom Schlage eines Johnny Depps und versehe ihn mit allerlei Spleens und Ticks. Bei diesem Sparrow weiss man nie, ob er komplett spinnt oder im Gegenteil hochgerissen ist. Das Wichtigste aber ist das übrige Personal: Es braucht bloss einen Widersacher, der so richtig hinterhältig und gemein ist, und schon wird aus einem Dieb und Mörder ein Sympathieträger. Im ersten Teil übernahm noch der verfluchte Kapitän Barbossa (Geoffrey Rush) die Rolle des Oberschurken. Da Barossa mittlerweile aber von den Toten auferweckt wurde und nun endgültig zu den Guten gehört, reichte man in Dead Man‘s Chest den noch verfluchteren Davy Jones (Bill Nighy) nach. Der sieht dank Tentakelvisage zwar gar schröcklich aus, war aber im Grunde eine tragische Figur (denn seien wir ehrlich: können wirklich schlechte Menschen Orgel spielen?).

Geoffrey Rush, Kira Knightley und Johnny Depp

In At World‘s End hat sich das Blatt endgültig gewendet, denn auch wenn es unter den Piraten noch immer manchen Gauner gibt, sind sie doch alle Waisenknaben im Vergleich zu Lord Cutler Beckett (Tom Hollander), dem Gesandten der East India Company, der auf dem Meer rücksichtslos aufräumt. Ein blasser, leidenschaftsloser Geschäftsmann ohne Sinn für Ehre, den einzig der Profit interessiert. Damit vollführt Pirates of the Carribean einen für Hollywood-Blockbuster typischen ideologischen Salto mortale: Die wahren Räuber und Halsabschneider, das sind nicht etwa die Piraten, sondern die Handlanger des Grosskapitals. Die Freibeuter dagegen sind eine aussterbende Spezies, freiheitsliebende Individualisten, die letzten echten Helden in einer immer kleiner werdenden globalisierten Welt. Dabei ist natürlich auch At World‘s End wie schon der zweite Teil ein hochgezüchtetes Spektakel, in dem in jeder Einstellung mindestens eine tricktechnische Höchstleistung zu bewundern ist. Wenn Gore Verbinski das Hohelied der Globalisierungsgegner anstimmt, dann tut er das mit der geballten Kraft der US-Unterhaltungsindustrie.

Dieser ganze verdrehte ideologische Subtext könnte einem ja herzlich egal sein, wenn At World‘s End sein Versprechen einlösen würde und tatsächlich unterhaltsam wäre. Mit Schrecken stell man aber fest, dass der Film ziemlich unlustig daherkommt. Sicher gibt es noch manchen Lacher, und Depp sieht man einfach immer gerne zu, aber Verbinski konzentriert sich viel zu sehr darauf, in jeder Szene noch mehr aufzutrumpfen. So dürfen wir unter anderem Depp im Gespräch mit seinen imaginären Alter Egos erleben. Das ist zwar durchaus komisch, nimmt der Figur aber viel von ihrem Geheimnis und ist letztlich ein Zeichen von Hilflosigkeit. Denn die Überlegung dahinter ist allzu simpel: Wenn ein Jack Sparrow alleine nicht mehr reicht, um den Film zu tragen, müssen eben mehrere her. Und so wird an allen Ecken und Enden aufgerüstet. Nicht nur ist At World‘s End mit fast drei Stunden Spielzeit der längste Film der Reihe, er wartet neben den bekannten Gesichtern auch noch mit Chow Yun Fat und Keith Richards in Klein- und Kleinstrollen auf.

Parallel zur Effekt- und Figurenüberfrachtung wuchert die Geschichte: Da gibt es eine Totenwelt, aus der man erstaunlich leicht zurückkehren kann, Piratenfürsten, einen Ältestenrat der Piraten, einen Hüter des Codex, einen Piratenkönig (oder vielmehr: eine Königin), eine launenhafte Seegöttin und so viele Intrigen und Pakte, dass einem davon schwindliger wird als von der grossen Schlussschlacht im Mahlstrom. Das wirkt alles unnötig konfus, und manchmal fehlt auch die Logik: So ist die ganze Zeit von den geheimnisvollen Münzen der Piratenfürsten die Rede, die Cutler auch eifrig sammelt, aber am Ende erfahren wir dann, dass mit den Münzen in Wirklichkeit etwas ganz Anderes gemeint war. Haben wir da was verpasst oder ist bloss eine weitere barocke Verästelung auf dem Boden des Schneideraums liegen geblieben?

Was immer auch der Grund sein mag, am Ende lässt einen At World‘s End auf jeden Fall unbefriedigt zurück, und man hofft, dass nun vorläufig Schluss ist mit Jack Sparrow und Konsorten. Freilich ist das Ende offen genug, um problemlos eine weitere Fortsetzung anzuhängen. Ob der Kampf der Piraten gegen das Grosskapital weitergeht, werden letztlich aber einzig die Einspielergebnisse entscheiden.

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