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Spidey zum Dritten
Spider-Man 3 von Sam Raimi

Der Film

Zum dritten Mal Spider-Man unter der Regie von Sam Raimi, und es hat schon fast etwas von einem regelmässigen Familienfest. Man kennt und mag die Schauspieler, die sich in ihren Figuren sichtlich wohl fühlen, verbringt zweieinhalb lustige Stunden miteinander und verabschiedet sich dann mit der Gewissheit, dass man sich in zwei Jahren wieder treffen wird.

Die Filme um den spinnerten Jungen Peter Parker haben sich mittlerweile zur erfolgreichsten Superheldenserie gemausert, und das liegt nicht zuletzt daran, dass hier jenseits aller Effekte und des ganzen Medienbrimboriums Figuren agieren, die man gerne ins Herz schliesst. Während die meisten Superhelden mit ziemlich abgehobenen Problemen zu kämpfen haben, bleibt Peter ein normaler junger Mann, für den die Bewältigung des Alltags mindestens so aufreibend ist wie der Kampf gegen das Verbrechen. Grossen Anteil daran hat Tobey Maguire; mit ihm steht und fällt Spider-Man. Ob es einen vierten Teil geben wird, ist derzeit noch unklar, fest steht, dass eine weitere Fortsetzung ohne Maguire nur schwer vorstellbar ist.

Bei aller Sympathie und handwerklicher Solidität hinterlässt Spider-Man 3 doch auch eine leichtes Gefühl der Enttäuschung. Nicht nur sind Abnützungserscheinungen wie ›Inflation‹ und ›Geschichtsklitterung‹ (siehe dazu das nebestehende Glossar) zu beobachten. Man würde sich auch wünschen, dass Raimi zumindest manchmal vom Standardschema abrückte. Ob es nun einer oder vier Superbösewichte sind, der Plot bleibt über drei Filme hinweg im Wesentlichen der gleiche. Natürlich sollte man von einer Riesenproduktion wie Spider-Man 3 nicht allzu viel Originalität erwarten, aber diverse Comiczeichner haben über die Jahre hinweg bewiesen, dass sich in diesem Genre auch noch Anderes erzählen lässt als der ewig gleiche Kampf von Superheld und Superbösewicht. Grössere inhaltliche Überraschungen hält der Film auf jeden Fall nicht bereit, eher ein warmes Bekanntheitsgefühl. Aber auch das hat er ja mit Familienfesten gemeinsam.

Das grosse Spider-Man-Glossar

Batman: Der neben Superman wohl bekannteste Superheld besitzt keine Superkräfte und ist damit die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Comicverfilmung: In Hollywood seit einiger Zeit sehr beliebt. Während Filme wie Sin City und 300 bewusst Stilisierung betreiben und visuell ihren Vorlagen nahe bleiben, streben die meisten Superheldenfilme einen gewissen Grad an Realismus an.

Daily Buggle: Boulevardzeitung mit Redaktionssitz im Flat Iron Building. Arbeitgeber von Peter Parker. Chefredaktor ist der cholerische J. Jonah Jameson, der dank J. K. Simmons auch dieses Mal wieder zum komödiantischen Kleinod wird.

Doppelleben: Ist neben den Superkräften die charakteristische Eigenschaft jedes Superhelden. Unauffälliger Bürger des Tags, maskierter Rächer bei Nachts – dass ein solcher Lebenswandel ein normales Liebesleben entscheidend verkompliziert, versteht sich von selbst.

Eifersucht, romantische: In Spider-Man 3 so präsent wie nie zuvor. Harry Osborn liebt Mary Jane Watson, deren Herz aber Peter Parker gehört. Dessen Libido gerät etwas ausser Kontrolle, als er von schwarzem Weltraumschleim befallen wird.

Eifersucht, berufliche: Während alle Welt Spider-Man liebt, wird Mary Janes erster grosser Auftritt als Sängerin zum Desaster. Dass sich die Gunst des Publikums und der Kritiker so ungleich verteilt, stellt die Beziehung der beiden auf eine schwere Probe.

Geschichtsklitterung: Kommt bei fortschreitenden Serien leider allzu häufig vor. Plötzlich taucht da in Spider-Man 3 ein neuer Gangster in der Urszene auf, und auf einmal hat Harry Osborn einen treuen Butler.

Green Goblin: Superbösewicht. Wurde von Spider-Man an sich schon im ersten Teil der Serie besiegt, feiert nun aber in der Gestalt von Harry Osborn ein kurzes Comeback.

Inflation: Ein in Serien häufig zu beobachtendes Phänomen. Reichte im ersten Film noch ein Superbösewicht, sind es nun schon – je nach Zählweise – drei bis vier.

Kritiker: Sind eine missgünstige Brut, die Mary Jane die Gesangskarriere ruinieren, was zu beruflicher Eifersucht führt. Die Ausnahme ist der Schreibende, der diesem Film wohlgesonnen ist (siehe nebenstehende Kritik).

Liebesleben, normales: Ist bei Superhelden selten. Superman bringt es nicht fertig, sich Lois Lane zu offenbaren, Batman hat in jedem Film eine andere, und für manchen X-Men ist bereits blosser Körperkontakt lebensgefährlich. Vergleichen damit hat es SpiderMan gut: Mary Jane liebt ihn und er sie, und sie weiss sogar von seinem Doppelleben. Angesichts dieser Idylle muss man vereinzelte Momente der Eifersucht hinnehmen.

Nebenan, Junge von: Batmans alter Ego Bruce Wayne ist stinkreich, Superman und Hulk sind ohnehin nicht ganz normal, die X-Men sind gesellschaftliche Aussenseiter. Nur Peter Parker bleibt auf dem Boden und behält seinen bübischen Charme.

New York: Das natürliche Biotop jedes Superhelden. Ob die Stadt nun beim Namen genannt wird oder wie bei Batman und Superman Gotham City beziehungsweise Metropolis heisst, ist nebensächlich – gemeint ist immer der Big Apple.

Osborn, Harry: Ursprünglich Peter Parkers bester Freund, doch zugleich auch Sohn des Green Goblin; in Mary Jane Watson verliebt, was zu romantischer Eifersucht führt.

Parker, Peter: Scheinbar ein netter Junge von Nebenan. In Wirklichkeit besitzt er Superkräfte und führt ein Doppelleben als Spider-Man. Perfekt besetzt mit Tobey Maguire, der entscheidend dazu beiträgt, dass Spider-man einer der gelungensten Superheldenfilme ist.

Raimi, Sam: Filmregisseur, einst für die Splatter-Trash-Reihe Evil Dead berühmt und berüchtigt, heute dank Spider-Man in die erste Regieliga aufgestiegen. Der einzige Regisseur, der es bislang fertig gebracht hat, bei drei Superheldenfilmen in Folge Regie zu führen.

Realismus: Stets eine heikle Kategorie, doch bei Superheldenfilmen besonders problematisch. Einerseits besitzt ein Superheld – umögliche – Superkräfte, andererseits sind seine Abenteuer im Hier und Jetzt angesiedelt. Um diese Gegensätze zu vereinen, ist der Einsatz von Spezialeffekten nötig.

Sandman: Superbösewicht, zerbröselt im entscheidenden Moment zu Sand, weht als Sturm die Stadt oder wird zum Sandkoloss.

Serie: Kaum ein Genre ist so fortsetzungsfreudig wie der Superheldenfilm (und deshalb auch so beliebt in Hollywood). Die Änderungen sind meist minimal: Ein neuer Superbösewicht und schon kann‘s wieder von vorne losgehen.

Spezialeffekte: Um Spider-Man zum Fassadenkletterer zu machen, reichte es früher, einen Schauspieler über den Boden krabbeln zu lassen und beim Filmen die Kamera zu verkannten. Im modernen Superheldenfilm ist deutlich mehr Aufwand gefragt. Auch Spider-Man 3 wartet wieder mit spektakulären Sprüngen durch die New Yorker Strassenfluchten und einer wahrhaft entfesselten Kamera auf.

Superbösewicht: Da gewöhnliche Ganoven keine Herausforderung für einen Superhelden darstellen, braucht er in jedem Film mindestens einen Widersacher, der ebenfalls über Superkräfte verfügt.

Superheldenfilm, moderner: Früher turnten Superhelden in bunten Pyjamas durch billig produzierte Filme. Dann kam Tim Burton und alles ward anders. Mit Batman wurde 1989 eine neue Ära im Superheldenfilm eingeläutet. Grosse Budgets, durchgestyltes Design, aufwendige Kulissen, Kostüme und Spezialeffekte sind seither obligatorisch.

Superkräfte: Machen den Superhelden, zu dem, was er ist. Oft Ergebnis eines fehl geschlagenen Experiments, manchmal auch ausserirdischen Ursprungs.

Superman: Sexuell frustrierter Saubermann. Die aufwendige Neuverfilmung Superman Returns konnte letztes Jahr die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen.

Urszene: Steht am Anfang jeder Superheldenkarriere, oft der gewaltsame Tod eines nahe stehenden Menschen. Im Falle von Spider-Man ist es die von Peter Parker – unabsichtlich – verschuldete Ermordung seines geliebten Onkels.

Watson, Mary Jane: Peter Parkers grosse Liebe, reizend verkörpert von Kirsten Dunst.

Venom: Superbösewicht, ursprünglich Fotograf beim Daily Buggle, wird dann aber von schwarzem Weltraumschleim befallen.

Weltraumschleim, schwarzer: Kommt aus dem All, befällt Spider-Man und bringt dessen schlechte Charaktereigenschaften zum Vorschein.

Erschienen in der Basler Zeitung vom 30. April 2007

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