Eines Nachts steht Pilar plötzlich bei ihrer Schwester Ana vor der Türe. Sie hat nur ihren Sohn Juan und ein paar wenige Dinge dabei; nicht einmal an anständige Schuhe hat sie gedacht. Pilar ist von zu Hause geflohen, vor ihrem Mann Antonio, der sie schlägt. – Warum bleibt eine Frau bei einem Mann, der sie schlägt; das ist die Leitfrage von Te doy mis ojos. Warum zieht Pilar schon kurze Zeit später wieder zu Hause ein und lässt all die bekannten Demütigungen wieder über sich ergehen?
Iciar Bollains dritter Film erzählt die Geschichte zweier unsicherer Menschen; sowohl die zerbrechliche Pilar als auch Antonion, dessen Gewaltausbrüche nur die Angst, seine Frau zu verlieren, überdecken sollen, wissen im Grunde nichts mit sich anzufangen, glauben, dass die Ehe dem Leben bereits einen Sinn gibt. Er möchte doch nur eine ganz normale Ehe führen, erklärt Antonia seinem Therapeuten. Doch auf die Frage, was er denn mit „normal“ meine, hat er keine Antwort.
Bollains Film folgt dem Ehepaar bei dem Versuch, sich selbst und dem Partner wieder näherzukommen. Antonio macht eine Therapie für gewalttätige Männer, Pilar nimmt eine Stelle in einem Kunstmuseum an. Selbstvertrauen ist es, was beide suchen und zumindest auch teilweise finden: Pilar hat nicht nur Spass an ihrem neuen Beruf, sie lernt auch neue Freundinnen kennen. Doch die Eigenständigkeit, die Pilar gewinnt, sorgt bei ihrem Mann für noch grösseren Ärger. Antonio beginnt zwar zu verstehen, was mit ihm vorgeht, wenn er seine Frau schlägt, und versucht auch, seine Anfälle unter Kontrolle zu bringen. Die kleinen Erfolge können die Angst, die Pilars neue Unabhängigkeit in ihm auslöst, aber nicht aufwiegen.
Selbstfindung der Frau durch die Beschäftigung mit Kunst, Psychotherapie für den Mann – das ist ein wenig sehr klischiert. Dass der Film dennoch über weite Strecken überzeugen kann, verdankt er allem den hervorragenden schauspielerischen Leistungen. Laia Marull und Luis Tosar verstehen es beide, ihre Figuren wirklich zum Leben zu erwecken. Da mag man auch verschmerzen, dass der Film mitunter sehr belehrend daherkommt.
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