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Farbloses Schwarz
Men in Black III von Barry Sonnenfeld

Will Smith mit seinem neuen Partner.

Will Smith mit seinem neuen Partner.

Boris the Animal.

Boris the Animal.

Ein besonders knuddeliger Kerl

Ein besonders knuddeliger Kerl

Ein typischer Gast in einem New Yorker Diner

Ein typischer Gast in einem New Yorker Diner

Welchen Unterschied doch zwei Buchstaben ausmachen können: Autor der ersten Drehbuchfassung von Men in Black III war Etan Cohen. Trotz des Gleichklangs der Namen ist dieser mit Ethan Coen, dem jüngeren der beiden Coen-Brüder, weder verwandt noch verschwägert. Dabei wäre dessen Mitarbeit an der Science-Fiction-Komödie gar nicht so abwegig, schliesslich hat Regisseur Barry Sonnenfeld die Kamera bei den ersten drei Coen-Filmen geführt, bevor er ins Regiefach gewechselt hat. Aber eben: Zwei Buchstaben können eine Welt – oder in diesem Fall: eine Galaxie – ausmachen. Wobei zur Ehrenrettung Cohens angefügt werden muss, dass dieser nur der erste in einer Reihe von Autoren war, die sich an dem Stoff versuchten. Die eklatante Humorlosigkeit des Drehbuchs muss also nicht zwangsläufig sein Verschulden sein.

Aber hübsch der Reihe nach: 1997 war Men in Black der grosse Kino-Sommerhit. Will Smith, der sich im Jahr zuvor bereits in Independence Day als cooler Vermöbler von Aliens empfohlen hatte, kämpfte im Film an der Seite von Tommy Lee Jones gegen allerlei fieses Geschmeiss aus den Tiefen des Alls. Als Mitglieder der Men in Black, einer besonders geheimen Geheimorganisation, war es ihre Aufgabe, illegal aliens dingfest zu machen. Denn ohne dass die Öffentlichkeit je davon erfahren hätte, ist die Erde längst von Besuchern aus fernen Sonnensystemen bevölkert. Ein intergalaktisches Abkommen regelt dabei die Aufenthaltsbewilligungen. Da aber auch Ausserirdische nur Menschen sind und sich nicht immer an die Spielregeln halten, gibt es die Men in Black, die bei Verstössen zum Rechten schauen.

Schauplatz der Handlung war – natürlich – New York, denn dort hausen so viele schräge Gestalten, dass ein paar schleimige Tentakelwesen nicht weiter auffallen. Der Film war ein harmloser Ulk, der von flotten Sprüchen und allerlei ekligen Monstern lebte. Fünf Jahre später brachte Teil zwei mehr vom Gleichen, danach war für zehn Jahre Schluss. Die Grundidee, beim ersten Mal noch witzig, hatte sich bereits abgenutzt. Wahrscheinlich hatten aber sowohl Sonnenfeld als auch Smith mal wieder einen Publikumshit nötig und entschlossen sich deshalb, eine weitere Fortsetzung ihres erfolgreichsten Films zu drehen.

Wenn ein abgelutschter Stoff neu aufgebretzelt werden muss, bedient man sich in Hollywood immer wieder der gleichen Mittel: Man verpflanzt den erprobten Plot an einen anderen Ort, führt eine neue Figur ein und neuerdings fügt man noch gerne die dritte Dimension hinzu. Men in Black III bedient sich in gewissem Sinne aller drei Strategien. Indem Will Smith in die Vergangenheit geschickt wird, um dort die jüngere Ausgabe seines Partners vor der Ermordung durch einen zeitreisenden Fiesling namens Boris the Animal zu retten, verändern sich sowohl der Schauplatz als auch die zweite Hauptfigur grundlegend. Die Aliens tummeln sich nun im Big Apple des Jahres 1969 – es ist der Vorabend des Starts der Apollo 11 –, und als junge Ausgabe von Tommy Lee Jones agiert Josh Brolin.

Seit H. G. Wells Ende des 19. Jahrhunderts in seinem Roman The Time Machine erstmals einen Menschen mittels futuristischer Technik durch die Zeit reisen liess, gehört die Zeitreise zu den Standardmotiven der Science Fiction. Wellsʼ viktorianischer Privatgelehrter reiste nur vorwärts, in die Zukunft, und wurde dort Zeuge, wie sich Proletariat und Bourgeoisie von sozialen Klassen zu unterschiedlichen biologischen Spezies entwickelt hatten. Dabei sind Elois und Morlocks in einer grausamen Symbiose voneinander abhängig: Die kindlichen Elois an der Oberfläche dienen den unter Tage lebenden Morlocks als Nahrung.

Neben dieser sozialkritischen Tradition entwickelte sich bald eine andere Spielart der Zeitreisegeschichte, die sich die Paradoxien zunutze machen, die durch die Reise in die Vergangenheit entstehen. Robert A. Heinlein, einer der Grossen der klassischen Science-Fiction-Literatur, veröffentlichte 1959 etwa die Erzählung All You Zombies, deren Protagonist nach einer Geschlechtsumwandlung in die Vergangenheit reist, um sich selbst mit sich selbst zu zeugen. Ein perfekter, hochgradig paradoxer Zirkel. Dass diese Struktur auch komödiantisches Potenzial besitzt, hat man vor allem im Film immer wieder unter Beweis gestellt. Am vollendetsten nach wie vor in Robert Zemeckis Back to the Future, diesem Meisterstück hollywoodscher Plot-Mechanik, in dem Marty McFly um jeden Preis dafür sorgen muss, dass seine Eltern zusammenfinden.

In Men in Black III ist Smith ebenfalls darum bemührt, dass die Gegenwart so bleibt, wie sie war (und natürlich verändert er sie dadurch dann doch). Gemessen an einem Back to the Future macht der Film allerdings kläglich wenig aus seiner Ausgangslage. Dass das Drehbuch an den Zeitreise-Paradoxien scheitert und seinen eigenen Prämissen nicht konsequent folgt, ist dabei noch das Mindeste; die wenigsten Drehbuchautoren bringen das fertig. Weitaus schwerwiegender ist die magere humoristische Ausbeute. Gibt es einen besseren Schauplatz als New York im Jahre 1969? Mondlandung, Hippies, Drogen, freie Liebe – die dankbaren Sujets liegen auf der Strasse. Nichts davon wird aber verwendet, selbst ein Abstecher in die warholsche Factory zeitigt bloss eine einzige nette Pointe.

Men in Black III dürfte übrigens nicht nur Coen-Fans, die zu wenig genau lesen, enttäuschen. Auch Kubrick-Verehrer werden beleidigt aufheulen, denn die Typographie der Titelsequenz zitiert eindeutig dessen Kalte-Krieg-Satire Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb. Freilich dürfte die einzige Verbindung zwischen diesem bitterbösen Meisterwerk und Sonnenbergs Film im Wort «schwarz» liegen.

Erschienen in der Neuen Zürcher Zeitung vom 24. Mai 2012.

Men in Black III in der Internet Movie Database.

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