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Der Kampf der Superschurken
Megamind von Tom McGrath

Metro Man

Megaminds Nemesis Metro Man

Megamind

Megamind am Ziel seiner Träume

Im finanzintensiven Filmgeschäft sind Produzenten stets auf der Suche nach Rezepten, die den Erfolg eines Films zumindest teilweise kalkulierbar machen sollen. Genres haben hierbei – neben bekannten Stars – eine besonders wichtige Funktion: Sie dienen dazu, bestimmte Zuschauerschichten gezielt anzusprechen. Denn Genres zeichnen sich ja stets durch eine gewisse Formelhaftigkeit aus und für den Zuschauer liegt ihr Reiz nicht zuletzt in einer Mischung aus Wiedererkennungseffekt und Überraschung. Unter den derzeit erfolgreichen Genres ist dabei kaum eines so genau definiert und variantenarm wie der Superheldenfilm. Seit Tim Burton 1989 mit seinem Batman das Zeitalter des modernen Superheldenfilms eingeläutet hat, produziert Hollywood einen ständigen Strom von Filmen mit verkleideten Rächern – die Zutaten sind dabei stets die gleichen.

Ein unverzichtbares Genre-Bauteil neben dem maskierten Helden, der in der Regel über mindestens eine ausserordentliche Fähigkeit verfügt und zudem mit einem Kindheitstrauma zu kämpfen hat, ist der Antagonist. Da normale Missetäter für den Heroen keine echte Herausforderung darstellen, braucht es unbedingt einen Superbösewicht, an dem der Held fast – aber natürlich nur fast – scheitert. Die Behauptung, dass diese Überschurken oft interessanter sind als die eigentlichen Hauptfiguren, ist wohl nicht ganz abwegig. Man denke nur an Heath Ledgers Joker in Christopher Nolans The Dark Knight – dem derzeitigen Mass aller Dinge im Bereich des Superheldenfilms. Die Idee, den oft farblosen Helden gleich ganz wegzulassen und sich aufs Wesentliche – den wirklich diabolischen Schurken – zu konzentrieren, liegt da scheinbar auf der Hand. In jüngster Zeit haben nun gleich zwei Animationsfilme dieses Konzept umgesetzt: Auf Universals Despicable Me folgt kaum zwei Monate später Dreamworks mit Megamind.

War Gru, der miesepetrige Schurke aus Despicable Me, noch ein normaler Mensch mit besonders ausgeprägter krimineller Energie, ist der blauhäutige Megamind ein in bester Superman-Manier auf der Erde gestrandeter Ausserirdischer, dessen grosses Pech es ist, dass er nicht der einzige Extraterrestrische mit aussergewöhnlichen Fähigkeiten ist. Sein ewiger Antipode Metro Man sieht allerdings nicht nur besser aus und hat die Stimme von Brad Pitt, sondern ist auch weitaus weniger ungeschickt; somit bleibt für den Aussenseiter Megamind nur eine Rolle übrig – die des Bösewichts.

Man mag es bereits erahnen: Auch in Tom McGraths Film wird die Genreformel nicht für obsolet erklärt, sondern im Grunde bloss auf den Kopf gestellt – wie Megamind selbst schmerzlich erfahren muss, braucht er seinerseits einen Antagonisten. Auch Gru hatte ja mit einem Widersacher zu kämpfen, der ihm den Titel des grössten Verbrechers aller Zeiten streitig machte. Wie sehr ein Filmheld auf einen Widersacher angewiesen ist, erkennt Megamind erst, als er seinen lebenslangen Traum verwirklicht und Metro Man besiegt: Auf den anfänglichen Jubel folgt stante pede die grosse Depression – wo liegt der Reiz eines Superlebens, wenn der Gegenpart fehlt, an dem man sich reiben kann? Ohne Widerstand hat das Ausrauben einer Bank keine Würze, wird auch der spektakulärste Kunstraub zur öden Routine. Schon bald sieht sich Megamind deshalb gezwungen, das zu tun, was vor ihm bereits unzählige Drehbuchautoren getan haben: Er muss einen würdigen Gegenspieler erschaffen, um die Spannung aufrecht zu erhalten.

Die Szenen, in denen Megamind, verkleidet als geheimnisvoller Space Daddy, den unbedarften Kameramann Hal zum Superhelden hochzüchtet, gehören zweifellos zu den witzigsten des Films; nicht zuletzt dank einer wunderbaren Referenz an Richard Donners Superman-Film aus dem Jahre 1978. Damals spielte kein Geringerer als Marlon Brando die Rolle von Supermans Vater Jor-El, und so ist es natürlich kein Zufall, dass dieser Space Daddy in Aussehen und Sprache an den verstorbenen Schauspielgiganten erinnert.

Dass der Pechvogel Megamind auch scheitert, wenn es darum geht, seinen eigenen Plot auf Vordermann zu bringen, dass Hal sich ganz und gar nicht zum Kämpfer für Recht und Ordnung eignet, liegt zwar in der Logik der Figur, bereitet aber dem Film insgesamt Probleme: Megamind hat nun zwar sein Gegenstück, der Simpel Hal ist aber einfach nicht sonderlich interessant und hat bald auch genug vom Heldenleben. Walt Disneys Gebot, dass Animationsfilme zuerst und vor allem über ihre Figuren funktionieren, scheint sich einmal mehr zu bewahrheiten. In der Figurenzeichnung liegt denn wohl auch der entscheidende Qualitätsunterschied zwischen Despicable Me und Megamind: Dem Fiesling Gru sah man einfach gerne zu, wenn er aus purer Boshaftigkeit einem kleinen Mädchen den Luftballon zerplatzen liess. Megamind hat da weniger zu bieten, zudem weiss er ja selbst von Anfang an, dass er eigentlich nur ein verhinderter Held ist. – Anders ausgedrückt: Als Bösewicht ist Megamind ganz einfach nicht böse genug.

Erschienen in der Neuen Zürcher Zeitung vom 2. Dezember 2010.

Megamind in der Internet Movie Database.

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