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The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring von Peter Jackson


Vergessen wir mal alle Superlative, die mit diesem Film verbunden sind, die Millionen von Dollars, die in seine Produktion geflossen sind, die Heerscharen von Statisten und die gigantische Werbekampagne, und versuchen wir, uns auf den Film selbst zu konzentrieren. The Lord of the Rings gehört zum Genre der Fantasy, nicht nur das, er ist das Opus Magnum der Fantasy, und dies ist eigentlich bereits der Knackpunkt bei der Beurteilung des Filmes. Fantasy ist sowohl als literarische als auch als filmische Gattung nicht sehr hoch angesehen, sie ist die ständig pubertierende kleine Schwester von Märchen und Science Fiction. Fantasy-Geschichten entwerfen stets eine mittelalterliche Märchenwelt mit Zauberern, Hexen, Elfen und allerlei kleinem Gewusel, die durch das absolute Böse – hier in Gestalt eines sagenhaften Ringes – bedroht wird, um dann in letzter Sekunde von einem tapferen Helden – in unserem Fall einem kleinen Hobbit – vor ihrem Untergang bewahrt zu werden. Der Unterschied zu vielen anderen eskapistischen Abenteuergenres besteht darin, dass in der Fantasy der eigentlichen Konstruktion der Welt die Hauptbeachtung gilt. Ihren Reiz beziehen die meisten Geschichten aus der detaillierten Beschreibung von exotischen Landschaften und wunderbaren Wesen samt deren Riten, Bräuche und Traditionen. Wer sich nun schon bei dieser kurzen Beschreibung fragt, was daran sonderlich spannend sein soll, wenn ein Autor den grossen Märchenbaukasten auspackt, der ist für die Fantasy für immer verloren. Die Liebhaber dieser Bücher und Filme und der wahlverwandten Rollenspiele beziehen ihr Vergnügen gerade daraus, über diese wunderbaren Welten möglichst kenntnisreich zu fachsimpeln. So mag denn der unglaubliche Erfolg von Lord of the Rings auch nicht verwundern, denn dessen Verfasser J. R. R. Tolkien hat fast sein ganzes Leben dem Entwurf des Reiches Mittelerde gewidmet, und die drei dicken Bände, die man heute kaufen kann, sind sozusagen nur die Spitze des Eisberges. Aus Tolkiens Nachlass werden noch immer Ergänzungen zu dem Ringepos veröffentlicht.

Mit Peter Jackson hat nun ein echter Fan die Regie übernommen, der vor Liebe und Verehrung für dieses Buchungetüm glühte, und der nicht zuliess, dass irgend etwas von Tolkiens Vision grob verfälscht oder gekürzt wurde. Bei diesem Vorhaben sah er sich aber vor einige prinzipielle Schwierigkeiten gestellt. Fantasy ist ein Genre der Beschreibung, der Film aber ist ein Medium des Zeigens, und das sind zwei grundverschiedene Dinge. Der Film kann zwar ganze Welten in all ihrer Farbenpracht auferstehen lassen, wenn es aber nur schon darum geht, die Ahnenlinie eines Helden oder der Grund für die Abneigung, die Elben gegenüber Zwergen hegen, zu erklären, wird er unfilmisch, dann muss nämlich eine der Figuren zu einem grösseren Vortrag ausholen, und das bekommt den wenigsten Filmen gut. So erstaunt es denn auch nicht, dass Lord of the Rings einen der längsten Prologe der Filmgeschichte besitzt. Fast eine Dreiviertelstunde vergeht, bis die Vorgeschichte wenigstens halbwegs aufgerollt ist – dies werden sich die beiden folgenden Teile dann schenken können –, erst dann fliesst die Geschichte von selbst, ohne längere Referate einzelner Figuren.

Ein zweites, wahrscheinlich noch schwerwiegenderes Problem ist der der Gattung inhärente Pathos. Da das ganze Bemühen der Fantasy dem glaubwürdigen Entwurf einer unmöglichen Welt gilt, ist das Genre – quasi per definitionem – gänzlich frei von jeder Ironie. Fantasy, die sich selbst hinterfragt, würde Selbstmord begehen. Zu einer Zeit, wo das Actionkino praktisch zu einem einzigen augenzwinkernden Selbstzitat geworden ist, wird wohl mancher Zuschauer Mühe damit bekunden, dass in einem Film die Errettung der Welt auf einmal wieder mit tödlichem Ernst betrieben wird. So beschränkt sich der Humor des Films auch nur auf das Geknurre eines Zwergs und den Ungeschicklichkeiten eines etwas dümmlich Hobbits.

Ist Lord of the Rings nun durch all diese Einschränkungen ein schlechter oder missglückter Film? Im Gegenteil. Im Rahmen seiner Möglichkeiten hat Jackson wahrscheinlich das Maximum aus seinem Stoff herausgeholt. Und auch wenn der Film stellenweise zu geschwätzig ist, so trumpft er dafür umso mehr auf, wenn er seine Schauwerte auffahren kann. Gleich zu Beginn präsentiert Jackson eine wahrhaft atemberaubende Schlachtszene, und auch in der Folge wird mit visuellem Spektakel nicht gegeizt. Die Kamera liebt es geradezu, in irrwitzigem Tempo durch die unterirdischen Gänge und Schächte zu rasen, an Türmen emporzuklettern und über Wälder und Flüsse zu fliegen. Und auch bei den Kampfszenen zeigt der Film seine Überlegenheit gegenüber der Literatur. Der Höhepunkt des Filmes ist wohl der Kampf mit einem Troll in einem unterirdischen Zwergenbau. Diese Szene ist nicht nur spektakulär choreographiert, sondern auch äusserst spannend. Grössere Mühe bekundet der Film mit den Elben, einer Rasse ätherischer Überwesen. Hier führt leider kein Weg am Kitsch vorbei, und auch sonst ist der Film reich an Pathos.

Trotz aller Einschränkungen hat Jackson ein äusserst beeindruckendes Stück Abenteuerkino abgeliefert, man fragt sich allerdings, wer diesen Film wirklich geniessen kann. Wer Fantasy nicht mag, wird auch durch Lord of the Rings nicht bekehrt werden, und obwohl sich der Film gerade hier grosse Mühe gibt, werden viele Zuschauer durch die Fülle von fremden Namen und Rassen heillos verwirrt sein. Und so mancher Tolkienologe wird auch ob diesem Film pikiert die Nase rümpfen, da er in Sachen Detailreichtum der Vorlage naturgemäss unterlegen ist.

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