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Effi emanzipiert
Effi Briest von Hermine Huntgeburth

Effi und Instetten im Jahre 1974

Effi und Instetten im Jahre 1974

Wer sich daran macht, Effi Briest zu verfilmen, hat es nicht leicht. Nicht nur ist der Roman einer der unbestrittenen Klassiker der deutschen Literatur und wurde schon mehrfach verfilmt, Rainer Werner Fassbinder hat 1974 mit Fontane – Effi Briest in gewissem Sinne bereits für eine endgültige Leinwandversion gesorgt. Fassbinders ungewöhnlicher Film, in dem der Regisseur selbst als Off-Erzähler agiert und der immer wieder Tafeln mit Textpassagen aus der Vorlage zeigt, legte den Fokus darauf, dass jede Verfilmung immer nur eine Umsetzung der Lektüre des jeweiligen Regisseurs ist.

Hermine Huntgeburth liest Fontane nun zweifelsfrei anders als Fassbinder: der Film betont nicht nur das historische Umfeld, sondern orientiert sich zudem am tatsächlichen Schicksal von Else von Plotho, die Fontane als Vorbild für seinen Roman gedient hat. Daher rührt auch die grösste Abweichung von der Vorlage: Bei Huntgeburth geht die verstossene Ehebrecherin Effi nicht elendiglich zu Grunde, sondern lebt als unabhängige Frau weiter.

Dass eine zeitgenössische Regisseurin lieber eine eigenständige Hauptfigur zeigt, ist durchaus nachvollziehbar, doch indem sie den Stoff zur Emanzipationsgeschichte umfunktioniert und aus Effi (Julia Jentsch) eine Figur macht, die sich am Ende, mit kecker Zigarette im Mund, von ihren Eltern lossagt, nimmt sie der Geschichte auch viel von ihrer Dramatik. Fontane erzählt von Menschen, die so sehr durch äussere Zwänge bestimmt sind, dass sie daran zu Grunde gehen. Bei Huntgeburth wird dagegen alles zu einer Frage der persönlichen Stärke.

Effi und Instetten im Jahre 2009

Effi und Instetten im Jahre 2009

Noch in einem weiteren, schwerwiegenderen Punkt wendet sich der Film von seiner Vorlage ab: Die Qualität von Fontanes Romans liegt ja weniger in der Geschichte, sondern in der dezenten, oft mit Andeutungen operierenden Erzählweise, bei der das Wesentliche nicht selten zwischen den Zeilen steht. Davon hält die Regisseurin nun gar nichts. Die bei Fontane allgegenwärtige, aber nie explizite Sexualität wird offen gezeigt, der wenig gefühlvollen Entjungferung Effis durch Instetten (Sebastian Koch) in der Hochzeitnacht werden als Kontrast die heimlichen Liebestreffen mit Crampas (Mišel Matičević) gegenüber gestellt. Die Entdeckung erfüllter körperlicher Liebe mag als Teil der intendierten Selbstfindung ja noch angehen, vollends verunglückt ist aber die Geschichte mit dem Chinesen. Das Gerücht um den früheren Diener des Hauses, der angeblich im Haus spukt, Instettens perfider «Angstapparat aus Kalkül», wie es bei Fontane so schön heisst, wird hier zu abgestandenen Bildern wie aus einem billigen Horrorfilm.

Eine Neuinterpretation von Fontanes Roman war Huntgeburths erklärtes Ziel, nach vier Verfilmungen sei eine reine Nacherzählung nicht mehr zeitgemäss. Das hängt wohl vor allem davon ab, wer da nacherzählt.

Erschienen in der Basler Zeitung vom 26. Februar.

Effi Briest in der Internet Movie Database

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