Zum Inhalt springen

Völkerverständigung mit leisen Tönen
The Band’s Visit von Eran Kolirin

Zwar herrscht zwischen Israel und Ägypten seit bald 30 Jahren offiziell Frieden, doch allzu nahe gekommen ist man sich deswegen noch lange nicht. Das muss auch das Alexandria Ceremonial Police Orchestra – auf den vollständigen Namen legt man grossen Wert – erfahren, als es in Israel am Flughafen ankommt. Man wurde zur Einweihung eines arabischen Kulturzentrums in Petach Tikwa eingeladen, doch von einem Empfangskomitee fehlt bei der Ankunft jede Spur. Also versuchen die Musiker unter der Leitung des stets korrekten Tewfiq (Sasson Gabai), auf eigene Faust ans Ziel zu gelangen, landen aber stattdessen in einem verschlafenen Kaff irgendwo im Nirgendwo. Glücklicherweise erbarmt sich Dina (Ronit Elkabetz), eine resolute Imbiss-Besitzerin, der Gestrandeten und sorgt für Ernährung und Unterkunft.

Äusserlich geschieht wenig in The Bandʼs Visit; die Musiker und die Dorfeinwohner kommen sich langsam näher, doch ein raffinierter Plot mit dramatischen Wendungen fehlt. Das ist auch gar nicht weiter schlimm, denn der Film lebt ganz von kleinen Momenten; von dem Bild der blauuniformierten Männer, die eine staubige Landstrasse entlanggehen, oder von Tewfiq, der Dina in gewählt-gewundenen Sätzen um etwas zu essen bittet.

Acht Männer in der Wüste

Acht Männer in der Wüste

Eran Kolirins Film wurde an zahlreichen Festivals nur so mit Preisen überschüttet – unter anderem gab es den Hauptpreis am Zurich Film Festival – und das zurecht. Regisseur und Drehbuchautor Kolirin beweist bereits in seinem Kinoerstling ein ausserordentliches Gefühl für Rhythmus und Reduktion. Zahlreiche Szenen könnten zum Kitsch oder zu billigen Scherzen einladen – etwa wenn Dina langsam den Panzer des steifen Tewfiqs durchbricht, oder wenn der Orchester-Schönling einem Dorf-Aussenseiter Nachhilfeunterricht in Sachen Liebe erteilt. Doch The Bandʼs Visit erzählt von Völkerverständigung, vom Zusammentreffen zweier Kulturen ganz ohne aufdringliche Botschaft und falschen Pathos. Es ist ein bewegender, zu Herzen gehender Film, ohne dabei rührselig oder sentimental zu sein.

The Bandʼs Visit ist nicht zuletzt ein Film über Kommunikation, respektive über das Fehlschlagen derselben. Er legt grossen Wert auf Sprache, und die Tatsache, dass die Nachbarn Ägypten und Israel, die kulturell doch vieles gemeinsam haben, nur über die Drittsprache Englisch miteinander sprechen können, ist eines seiner Kernthemen. Da erscheint es wie Hohn, dass der Film nicht als offizieller Kandidat Israels für den Oscar antreten kann. Denn um für die Kategorie ‚bester nicht-englischsprachiger Film‘ nominiert werden zu können, muss gemäss Reglement mehr als die Hälfte des Dialogs in anderen Sprache als Englisch gesprochen sein, was bei The Bandʼs Visit eben gerade nicht der Fall ist. Und als ginge es darum, die Aktualität des Films noch zu unterstreichen, wird er auch in der arabischen Welt boykottiert. Selbst das Middle East International Film Festival, das Kolirins Werk ursprünglich zeigen wollte, lud den Film nach Protesten der ägyptischen Schauspielergewerkschaft wieder aus. Es muss sich wohl noch manches ägyptische Polizeiorchester in Israel verirren, bis sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern normalisiert haben.

Erschienen im tachles.

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zwanzig − 3 =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.