Dass sich das Kino seit einiger Zeit der Konkurrenz durch Fernsehserien wie Breaking Bad oder Game of Thrones – die oft gar nicht mehr am Fernseher konsumiert werden – erwehren muss, ist bekannt. Interessant ist, wie Hollywood auf diesen Trend reagiert. Eine Strategie ist, mit exklusivem Kino-Mehrwert zu wuchern: Der 3D-Boom, die neue Generation von Surround-Sound, aber auch Peter Jacksons Versuche mit höheren Bildraten fallen alle in diese Kategorie.
Der neue Avengers-Film wird zwar ebenfalls in einer stereoskopischen Version gezeigt, bei Marvel scheint man sich aber zudem entschieden zu haben, gewisse strukturelle Eigenheiten der aktuellen Serienerfolge zu kopieren. Das zeigt sich unter anderem daran, dass man die Avengers-Filme konsequent über mehrere Jahre hinweg aufgebaut hat. Begonnen mit Iron Man im Jahre 2008 wurden dessen Titelfigur, Hulk, Thor, Captain America und die übrigen Mitglieder der Superhelden-Combo über ein halbes Dutzend Filme hinweg eingeführt. Fortsetzungen sind nicht neu, dass Hollywood in so grossen Bögen plant, aber schon.
Fast noch frappanter ist aber, wie der Film mit seinem riesigen Cast umgeht. Mit Robert Downey Jr., Chris Helmsworth, Mark Ruffalo, Scarlett Johannson, Samuel L. Jackson und noch einer Handvoll alles andere als unbekannter Schauspieler ist Avengers: Age of Ultron ein All-Star-Picture der Sonderklasse (einzig Gwyneth Paltrow als Tony Starks Assistentin Pepper Potts haben wir schmerzlich vermisst). Diese grossen Namen müssen beschäftigt werden, verlangen nach Leinwandzeit. Die Art und Weise, wie Regisseur und Drehbuchautor Joss Whedon, der als Mastermind hinter Franchises wie Buffy oder Firefly zu den zentralen Figuren der aktuellen Serien-Kultur zählt, zwischen den vielen Handlungssträngen hin und her springt, erinnert – im positiven Sinn – durchaus an Game of Thrones. Anders als etwa Michael Bay, der sich in seinen hysterischen Transformers-Filmen am Zuschauer mit der kürzest möglichen Aufmerksamkeitsspanne orientiert, inszeniert Whedon nicht bloss krachende Actionszenen, sondern geht von den Figuren aus, lässt jede ein persönliches Problem abarbeiten und bringt das Ganze sogar in einem halbwegs kohärenten dramaturgischen Bogen zusammen.
So gekonnt Whedon mit seinem Riesen-Ensemble jongliert, für die eigentliche Story – Tony Stark und Bruce Banner erschaffen irrtümlicherweise den Superbösewicht Ultron – bleibt am Ende trotz Überlänge kaum Platz; sie ist denn auch das Uninteressanteste am ganzen Film. Im Grunde demonstriert Avengers: Age of Ultron so auch, wo die Grenzen des Mediums Kino liegen. Viel mehr kann man in einen Film wohl schlicht nicht reinquetschen. Man stelle sich aber mal vor, was möglich gewesen wäre, wenn Whedon mit der gleichen Besetzung eine Serie gedreht hätte …
Erschienen in der Basler Zeitung vom 22. April 2015.
Und dem selben Budget …
Sorry, aber für mich funktioniert diese “What if”-Kiste nicht. Du scheinst da ja das Scheitern als Chance zu verstehen. Fernsehserien haben ja auch den Vorteil, dass man meistens nicht ein Jahr auf die nächste Folge warten muss. Mich nervt das MCU zunehmend … und Whedon kommt mit den seltsamen Parametern noch am ehesten klar.
Ich bin nicht sicher, ob ich deinen Kommentar ganz verstehe. Ich denke auch, dass Whedon in dem Film aus einer sehr schwierigen Ausgangslage erstaunlich viel rausholt. Aber als ich den Film sah, hatte ich fortlaufend das Gefühl, dass dieses Setting in einer Serie viel besser funktionieren würde (und das ist ein Gefühl, was mich selten beschleicht). Dass das nicht passieren wird – u.a. wegen des Budgets – ist eine andere Frage.
[…] Avengers: Age of Ultron, Joss Whedon, USA 2015 (siehe meine Rezension). […]