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Hanekes filmische Publikumsbeschimpfung
Funny Games U.S. von Michael Haneke

Funny Games

Das Spiel kann beginnen

Remakes haben ja einen denkbar schlechten Ruf; besonders, wenn ein Regisseur seinen eigenen Film für den amerikanischen Markt neu dreht – und das Ganze noch als eine über weite Strecken einstellungsgenaue Kopie des Originals. Michael Hanekes neuer alter Film kommt also mit einem grossen Handicap daher; dabei hatte es Funny Games ja auch so schon schwer genug, denn viel publikums­unfreundlicher als das Original von 1997 kann ein Film kaum werden.

Worum geht‘s? Ein Ehepaar mit Kind reist in das idyllische Ferienhaus am See. Mitten im allgemeinen Einzugstrubel stehen da plötzlich zwei junge Männer, Peter und Paul, vor der Tür und fragen ausgesucht höflich nach ein paar Eiern. Eine ganz harmlose Sache, wären da nicht die weissen Handschuhe der beiden. Noch ehe der Zuschauer oder die Protagonisten Zeit haben, sich zu wundern, liegt der Vater (Tim Roth) mit gebrochenem Bein am Boden und die beiden Eindringlinge erklären die Regeln ihres Spiels: Gewonnen hat, wer am nächsten Morgen noch lebt.

Was folgt, ist ein Thriller der etwas anderen Art, denn Funny Games ist nicht einfach eine plumpe Blutorgie. Haneke verweigert uns den Blick auf die Untaten. Wenn jemand stirbt, dann ausserhalb des Bildes. Damit hält uns der Film unseren eigenen Voyeurismus vor. Denn eigentlich würden ja zu gerne sehen, was da geschieht. Etwa wenn die Mutter dazu gezwungen wird, sich auszuziehen. Die Kamera verharrt stets auf ihrem Gesicht, und das Publikum ertappt sich beim Wunsch, doch mal einen Blick auf Naomi Watts’ Brüste werfen zu dürfen.

Der Film macht den Zuschauer zum Komplizen; mehrfach durchbrechen die beiden Übeltäter die filmische Illusion, blicken direkt ins Publikum und fragen, auf welcher Seite wir, die Zuschauer, denn stehen. Wollen wir denn wirklich, dass die drei überleben, oder sind wir doch vor allem auf Nervenkitzel aus? Was uns Funny Games in aller Drastik vorführt, ist, dass Peter und Paul ihre sinnlosen Brutalitäten einzig und allein deshalb begehen, weil wir ihnen zuschauen; und darauf gäbe es eigentlich nur eine konsequente Reaktion: Das Verlassen des Kinosaals.

Bei der Premiere in Cannes sorgte die erste Fassung mit Susanne Lothar und Ulrich Mühe für einen handfesten Skandal. Gut zehn Jahre später erzählt Haneke noch einmal die gleiche Geschichte; die Änderungen sind minimal. Einzig ein Handy hat Einzug gehalten, und die reduzierte Antiästhetik des Österreichers scheint in der US-Version einen kleinen Tick glamouröser. Auf sonstige Aktualisierungen, die sich angesichts von Terrorismus, Amokläufern und der aktuellen Diskussion um ein Verbot von Killergames eigentlich anbieten würden, hat der Regisseur aber vollkommen verzichtet. Und so lässt der neue Film die Zuschauer noch ratloser zurück als die Urfassung: Es ist zweifellos beeindruckend, wie reibungslos diese filmische Foltermaschine noch heute funktioniert, doch bleibt die Frage: wozu ein Remake?

Im Presseheft lässt sich der Regisseur mit der Aussage zitieren, dass der Film nun sein wahres Publikum erreiche; bereits die erste Version habe vor allem das amerikanische Kino im Visier gehabt. Man hat Mühe zu glauben, dass ein Mensch von der Intelligenz Hanekes tatsächlich so naiv ist. Denn dass Funny Games US in den Staaten nur in ein paar ausgewählten Arthouse-Kinos zu sehen sein wird, war von Beginn an absehbar. Ähnlich an der Sache vorbei zielen die Kritiker, die dem Regisseur wütend vorwerfen, er würde die gesellschaftlichen Ursachen von Gewalt ausblenden, denn genau darum geht es dem Film nicht. – Als der Vater seine beiden Peiniger nach dem Grund für ihr Morden fragt, spulen die beiden die üblichen Erklärungsmuster runter: Schuld sind zerrüttete Familienverhältnisse, Wohlstandsverwahrlosung, Drogen, gewalttätige Filme – man kann’s sich auswählen. Funny Games ist eben kein Film über reale Gewalt, sondern über medial vermittelte Gewalt. Und für die sind in erster Linie die Zuschauer verantwortlich.

Erschienen in der Basler Zeitung.

Funny Games U.S. in der Internet Movie Database

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