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Menschenskind
Children of Men von Alfonso Cuarón

Es wäre durchaus mal eine Untersuchung wert, warum ausgerechnet die britischen Inseln ein so fruchtbarer Boden für alternative Gesellschaftsentwürfe sind. Begonnen bei Utopia, dem Urtext der Gattung, verfasst vom späteren Lordkanzler und Märtyrer Thomas Morus, über die Schreckensvisionen von Aldous Huxley und George Orwell zieht sich eine lange Reihe utopischer und dystopischer Entwürfe durch die englische Literaturgeschichte. Auch der letztes Jahr erschienene V for Vendetta, diese tiefschwarze Comicverfilmung, war ein durch und durch englischer Stoff.

Wie V for Vendetta spielt auch Children of Men in einem quasi-totalitären England. Wir befinden uns im Jahr 2027, es ist der Tag an dem Baby Diego, mit 18 Jahren der jüngste Menschen auf Erden, von einem rasenden Fan getötet wird. Die Menschheit ist unfruchtbar geworden, die Welt liegt in Trümmern; einzig England hat sich dank einer rücksichtslosen Politik halten können. Die Horden illegaler Emigranten werden ebenso erbarmungslos verfolgt wie oppositionelle Gruppen.

Regisseur Alfonso Cuarón hat bereits bei Harry Potter and the Prisoner of Azkaban unter Beweis gestellt, dass er trotz seiner mexikanischen Herkunft Sinn für Britishness hat und es versteht, aus trivialen Stoffen alles rauszukitzeln. Children of Men kapriziert sich denn auch nicht auf futuristische Gimmicks. Ganz im Gegenteil wirkt diese Zukunft mit ihren Strömen von Emigranten, ihren fanatischen Terroristen, Bombenanschlägen und der hochgerüsteten Polizei geradezu unheimlich vertraut.

In dieser trostlosen Zukunft taucht nun eine schwangere Frau auf, eine – welch Ironie des Schicksals – schwarze Emigrantin. Diese schwarze Eva wird unversehens zum Spielball politischer Interessen: Die Regierung will ihre Existenz geheim halten, die verschiedenen Rebellengruppen dagegen sehen in ihr primär ein Mittel zur Propaganda. Hauptfigur Theo (Clive Owen) weiss von alledem nichts, als sich seine verflossene Liebe Julia (Julianne Moore) bei ihm meldet und um Hilfe bittet. Über seinen Bruder könnte Theo die nötigen Papiere verschaffen, um die schwangere Kee in die Obhut des ‹Human Project› zu bringen, einer Geheimorganisation, deren Ziel die Rettung der Menschheit ist.

Kee wird zur eigentlichen Verkörperung der Hoffnung, die auch den desillusionierten Theo nicht kalt lässt. Unversehens findet er sich zwischen den Fronten wieder, gejagt von allen, einzig mit dem Ziel vor Augen, Kee rechtzeitig zum abgesprochenen Treffpunkt zu bringen.

Cuarón vollführt einen raffinierten Kunstgriff, indem er zwar immer wieder auf frühere Endzeitphantasien verweist und so deutlich macht, dass er sich der langen Tradition, in der sein Film steht, bewusst ist. Zugleich erdet er den Film fortlaufend und lässt ihn nie ins reine Spektakel abdriften. Trotz viel Militärpräsenz ist Children of Men kein Actionstreifen, sondern eine Geschichte über Hoffnung, und Owen, der den Helden wider Willen perfekt verkörpert, nimmt während des ganzen Films nie eine Waffe in die Hand.

Children of Men in der Internet Movie Database

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