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Unfreundliche Begegnung der dritten Art
War of the Worlds von Steven Spielberg

Die Idee, dass Ausserirdische unseren Planeten in feindlicher Absicht besuchen, ist – obwohl in Science Fiction-Filmen und -Büchern omnipräsent – relativ jung. Als ihr Erfinder muss H. G. Wells gelten, der als erster eine Invasion der Erde durch Marsianer beschrieb. Sein The War of the Worlds, 1898 erstmals erschienen, ist ein Klassiker und wurde oft bearbeitet; am Bekanntesten sind das Hörspiel seines Fast-Namensvetters Orson Welles, das 1938 eine Massenpanik ausgelöst haben soll, und die Verfilmung von 1953, ein rührendes Stück Technicolor-Hollywood mit Raumschiffen, deren Design an Art Deco-Schmuck erinnert.

Nun hat sich Steven Spielberg an den Stoff gewagt, und obwohl dessen Vorliebe für Science Fiction hinlänglich bekannt ist, muss man sich doch fragen, was ihn an dem Stoff gereizt haben könnte. Vielleicht war es der Wunsch, nach Close Encounters of the Third Kind und E.T. mal so richtig hinterhältige Ausserirdische zu zeigen, denn sehr viel mehr gibt die Vorlage eigentlich nicht her. Wells war zwar sehr erfindungsreich in der Gestaltung seiner Marsmenschen und sein Einfluss auf das Genre hält bis heute an, die eigentliche Handlung seines Romans ist aber eher dürftig; der Ich-Erzähler ist mehrheitlich passiver Beobachter, gegen die ausserirdische Übermacht kann er ohnehin nichts ausrichten. Besiegt werden die blutlüsternen Monster – und hier zeigt sich Wells’ Interesse für die die Darwin’sche Evolutionstheorie – nämlich durch Bakterien, gegen die der Mensch längst resistent ist, die für das unangepasste Immunsystem der Angreifer aber tödlich wirken. Die Erdbewohner können einfach zusehen, wie die Marsianer tot umfallen.

Dieses Ende ist eine regelrechte Antiklimax, und Spielberg hat es unverändert von Wells übernommen, mit dem Ergebnis, dass das Ende seines Films eine grosse Enttäuschung ist. Nachdem fast zwei Stunden lang Material im ganz grossen Stil zerstört wurde, ist der Spuk plötzlich vorbei, ohne dass es so etwas wie eine Auflösung, einen Clou, einen wirklichen Höhe- und Wendepunkt gegeben hätte.

Dafür geschieht vorher umso mehr, allerdings nicht auf der Ebene der Geschichte, denn die handelt eigentlich nur davon, wie Tom Cruise – dieses mal als Vertreter der Arbeiterklasse – sich und seine beiden Kinder vor den Ausseridischen retten will. Im Rahmen dieser Flucht werden Häuser pulverisiert, Menschen mit Hitzestrahlen vaporisiert, stürzen Brücken ein und wird eine Fähre umgeworfen. Die extraterrestrische Demoliertruppe leistet ganze Arbeit, und Spielberg und sein eingespieltes Team setzen das Ganze technisch perfekt um. Das ist weder sonderlich originell noch sehr intelligent, macht War of the Worlds aber zu einem der eindrücklichsten Katastrophenfilme seit langem.

Spielberg scheint sich auf seine Anfänge zurückzubesinnen, War of the Worlds ist reines Adrenalinkino, pures Spektakel, und inhaltlich sehr viel weniger ambitiös als A.I. und Minority Report, seine letzten beiden Abstecher in die Science Fiction. Kurioserweise ist seine Verfilmung damit erstaunlich nahe am Wells’schen Original, denn dieses stand ganz in der Tradition der Future War Story, einem rein britischen Literaturgenre, in dem in immer neuen Variationen eine zukünftige Schlacht um England inszeniert wurde. Der Schwerpunkt bei Wells liegt auf der Zerstörung Englands, der ausführlichen Schilderung, wie die britische Weltmacht in die Knie gezwungen wird. So gesehen ist Spielbergs Film einfach ein sehr getreue Umsetzung des literarischen Originals.

Erschienen in der BZ vom 29. Juni 2005.

War of the Worlds in der Internet Movie Database

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