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Staatskunde mit Onkel Robert
Lions for Lambs von Robert Redford

Lions for Lambs, Redfords erste Regiearbeit seit sieben Jahren, spielt innerhalb einer guten Stunde an drei verschiedenen Schauplätzen. Da wäre zuerst Washington: Senator Jasper Irving, ein aufstrebender Republikaner, gewährt der altgedienten Journalistin Janine Roth ein einstündiges Exklusivinterview. Ziel der Aktion ist es, die Medien auf die neuste Strategie der USA in Afghanistan einzuschwören. Noch während die beiden miteinander sprechen, machen sich einige Soldaten am anderen Ende der Welt daran, das umzusetzen, was Irving und Konsorten in ihren feudal möblierten Büros ausgeheckt haben: Ein ganz neues Vorgehen, eine vollkommen andere Herangehensweise, die nun den bislang ausgebliebenen Erfolg bringen wird. Gezielte Angriffe auf strategisch wichtige Ziele, hervorragend ausgebildete Eliteeinheiten, chirurgische Eingriffe – das übliche Pentagon-Geschwätz eben.

Tom Cruise

Während Irving noch von den Fähigkeiten seiner »Boys« schwärmt, wird der Zuschauer Zeuge, wie die neue Strategie grandios fehl schlägt. Noch bevor die Einheit an ihrem Ziel ankommt, wird ihr Hubschrauber von einem offiziell untauglichen Geschütz abgeschossen; die beiden Soldaten Arian und Ernest bleiben schwer verletzt auf einem Bergplateau liegen. Die neue Taktik scheint doch nicht so unfehlbar. Und tatsächlich hat Irving auf Roths schüchterne Frage, warum denn nun ausgerechnet der neue Plan erfolgreich sein soll, nachdem bislang alles versagt hat, nur eine Antwort: Die neue Strategie wird erfolgreich sein, weil sie erfolgreich sein muss. Das amerikanische Volk braucht Erfolgsmeldungen.

Zeitgleich mit den diesen beiden Handlungssträngen findet ein weiteres Gespräch an einer Universität in Kalifornien statt. Professor Malley – Regisseur Redford spielt die Rolle des Mentors gleich selbst – hat den Studenten Todd zu sich zitiert, da dieser, nachdem er grosses Potenzial gezeigt hat, doch lieber das süsse Leben geniessen will, anstatt sich zu engagieren. Malley will den jungen Mann – und damit sind wir beim Kern des Films – davon überzeugen, dass sich politisches Engagement lohnt.

Redfords Film ist ein Plädoyer gegen politische Apathie und für persönlichen Einsatz. Der Zuschauer soll anhand der gegeneinander gesetzten Handlungsstränge Stellung beziehen. Das wäre ja ein durchaus ehrenwertes Ansinnen, doch ist hier wie so oft ›gut gemeint‹ so ziemlich das Gegenteil von ›gut gemacht‹. Lions for Lambs ist ein unglaublich didaktischer, mitunter schon fast unerträglich blutleerer Film. Dass er dialoglastig ist, ist das Eine – mit Ausnahme des Handlungsstrangs in Afghanistan gibt es fast ausschliesslich Zweiergespräche. Doch vor allem wirkt der Film, der fortlaufend seine eigene Relevanz betont, vollkommen ausgedacht und realitätsfremd. Redford scheint vom normalen Unterrichtsalltag an einer Universität ebenso wenig Ahnung zu haben wie von der Arbeit eines Journalisten. Meryl Streep in der Rolle angeblich routiniert Pressefrau Roth wirkt allzu naiv und ohne jeglichen Biss; dass sie ihre Notizen stets an der gleichen Stelle ihres Notizblocks macht, ist da nur ein kleines Details, das die Lebensferne des Films noch unterstreicht.

Am Überzeugendsten ist ziemlich unerwartet Tom Cruise. Ausgerechnet er, der immer dann am hohlsten wirkt, wenn er der Welt zeigen will, dass er auch richtig ernsthaft schauspielern kann, verkörpert mit seiner Aufgeblasenheit und seinem leeren Pathos die Figur des medienwirksam wild entschlossenen Politikers ideal. Cruise mag das nicht unbedingt so beabsichtigt haben, das tut der Wirkung aber keinen Abbruch. Der Megastar, der neuerdings auch Mitbesitzer der wiederauferstandenen »United Artists« ist, hat sich Lions for Lambs übrigens als ersten Film für seine Produktionsfirma auserkoren und fungiert deshalb auch als ausführender Produzent.

Wenig überzeugend ist auch die Afghanistan-Sequenz, die wohl als dramatisches Gegenstück zu den beiden Konferenzen gedacht ist. Hier sehen wir zwei aufrechte Amerikaner, Mitglieder ethnischer Minderheiten zumal und ehemalige Studenten Malleys, die sich freiwillig für den Dienst gemeldet haben. Zwar fehlt es hier nicht an Action, fallen reichlich Schüsse und stürzt ein Hubschrauber ab, aber auch diese Szenen wirken statisch. Das alles ist zu offensichtlich gebaut und dient primär dazu, den Film mit einer heldenhaften Sterbeszene zu beenden.

Vordergründig geht es Redford um die Frage, wer in einer Demokratie bereit ist, was zu tun. Dem unpolitischen Todd stellt er die beiden Soldaten gegenüber, die sich engagieren, und dabei ein schreckliches Ende nehmen. Das mag dialektisch gedacht sein, funktioniert am Ende aber nicht. Denn letztlich beugt sich Lions for Lambs dem über alle Parteigrenzen hinweg herrschenden populistischen Grundsatz, dass die Truppen trotz aller politischer Differenzen unbedingt unterstützt werden müssen. Diese Jungs verdienen Achtung, weil sie sich einsetzen. Sie tun dies nicht, weil sie den Krieg für richtig halten, sondern weil sie etwas für ihr Land tun wollen. Und indem der Film den beiden Soldaten einen Heldentod gewährt, verleiht er diesem unreflektierten Patriotismus auch noch Pathos und stört so das angestrebte Gleichgewicht. Ohnehin verdienen diese armen Teufel keine Bewunderung, sondern vielmehr Mitleid.

Erschienen im Filmbulletin.

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