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Heilige Einfalt
Kingdom of Heaven von Ridley Scott

Helden haben es wahrlich nicht leicht im zeitgenössischen Kino, es gibt einfach keinen Platz mehr für ungebrochene, wahre Helden. Der Actionfilm ist längst zum selbstironischen Klamauk verkommen, den letzten echten Männern bleibt da nur noch die Flucht in längst vergangene heroische Zeitalter. Ridley Scott setzte den Trend mit Gladiator, Peter Jackson doppelte nach mit der Lord of the Rings-Trilogie, und Wolfgang Petersen setzte dem Ganzen mit Troy letztes Jahr die Krone auf. Nun ist also wieder Scott an der Reihe.

Die Geschichte von Kingdom of Heaven ist schnell erzählt: Gestern war Balian (Orlando Bloom) noch ein kleiner Schmied, heute ist er bereits Kreuzritter und Vertrauter des Statthalters in Jerusalem. Die Situation in der heiligen Stadt ist angespannt: Ein labiler Friede zwischen Christen und Muslimen wird beiderseits von Fanatikern untergraben. Zwar versucht der König von Jerusalem mit aller Kraft, einen Krieg zu verhindern, doch die Tage des leprösen Monarchen sind gezählt. Schon bald sieht sich Balian in der Rolle des Oberbefehlshabers, der die Stadt gegen das Heer Saladins verteidigen muss.

Scotts Film ist eine seltsame Angelegenheit: Der obligaten Pracht der Kostüme und Kulissen steht eine geradezu rudimentäre Geschichte gegenüber, die offensichtlich nur als Vorwand dient, um ein beeindruckendes Schlachtengemälde zu inszenieren. Da gibt es kaum Überraschungen, wenn man mal von der Tatsache absieht, dass Balian innerhalb kürzester Zeit vom Dorfschmied zum Meisterstrategen mutiert. Die Figuren bleiben mit Ausnahme von Jeremy Irons in der Rolle des Statthalters blass und uninteressant. Das gilt besonders für die Hauptfigur; Balian ist so aufrecht, ehrlich und humorlos, dass man als Zuschauer nicht weiss, ob man sich langweilen oder ärgern soll über so viel Edelmut. Die übrigen Protagonisten sind Staffage, und die obligate Liebesgeschichte überflüssig und unplausibel. Im direkten Vergleich mit Troy, der es meisterhaft verstand, ein ganzes Ensemble von Figuren gegeneinander auszuspielen, schneidet Kingdom of Heaven denkbar schlecht ab.

Natürlich wird auch was geboten: Saladin rückt mit einem Riesenheer an und fährt Katapulte, Rammböcke und andere Kriegsmaschinen auf. In den Kampfszenen wird denn auch offensichtlich, um was es in diesem Film geht: Um ein farbenprächtiges Kriegsspektakel und sonst nichts. Der Film versucht dies zwar mit einer pseudopazifistischen Botschaft zu kaschieren, allerdings mehr schlecht als recht. Nach zahlreichen erfolglosen Angriffen einigen sich Balian und Saladin darauf, dass die Christen die Stadt kampflos räumen, im Gegenzug wird ihnen freies Geleit zugesagt. Warum denn nicht gleich so? Weil man sonst auf das schöne Gemetzel hätte verzichten müssen. Dass der Film zu Beginn des Abspanns dann noch explizit den Bezug zur Gegenwart herstellt, wirkt da mehr als billig und macht seine Verlogenheit nur offensichtlicher.

Scott war schon immer mehr Bildermacher als Geschichtenerzähler, und Kingdom of Heaven ist nicht sein erster Film, der zwar durch visuelle Brillanz besticht, insgesamt aber ziemlich langweilig ist. Die Kampfszenen sind imposant, die Heraufbeschwörung des 12. Jahrhunderts stimmungsvoll, allein, es fehlt der Plot, da hilft auch ein wohlfeiles Bekenntnis zu Frieden und Völkerverständigung nichts.

Erschienen in der BZ vom 5. Mai 2005.

Kingdom of Heaven in der Internet Movie Database

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