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Grüne Neurosen
The Hulk von Ang Lee

Seit Tim Burton 1989 mit Batman das Zeitalter des modernen Superheldenfilms eingeläutet hat, versorgt uns Hollywood regelmässig mit Filmen rund um die bunt gekleideten Rächer; meist mit mässigem Ergebnis. The Hulk ist dieses Jahr nach Daredevil und X2 bereits der dritte Vertreter des Genres, der auf den hiesigen Leinwänden zu sehen ist. Regie geführt hat Ange Lee, und das lässt aufhorchen, denn der gebürtige Taiwanese springt nicht nur spielend zwischen Ost und West hin und her, auch bei den Genres hat er eine verblüffende Bandbreite zu bieten: Von der interkulturellen Liebeskomödie (The Wedding Banquet) über die psychologisch feinfühlige Zeitstudie (The Ice Storm) und der Jane Austen-Verfilmung (Sense and Sensibility) bis zum asiatischen Martial Arts-Märchen (Crouching Tiger, Hidden Dragon) scheint ihm einfach alles zu gelingen.

Superheldenfilme balancieren meist auf einem schmalen Grat zwischen psychologischem Drama – es geht immer um hochgradig gespaltene Figuren, die unter Todesgefahr ein Doppelleben führen – und saftiger Action. Kaum ein Film hat es bis jetzt geschafft, diese Elemente wirklich in der Waage zu halten; selbst die beiden Batman-Filme von Burton – allen Nachfolgern zum Trotz noch immer das Mass aller Dinge – erscheinen wie ein uneingelöstes Versprechen, was in diesem Genre wirklich möglich sein könnte. Burton hat zwar vorgemacht, wie sich ein Comic visuell umsetzen lässt, ohne die Vorlage zu verleugnen oder lächerlich zu wirken, in Plot und Figurenzeichnung ist aber auch ihm kein Meisterwerk gelungen.

Das für die Gattung essentielle Jekyll und Hyde-Prinzip ist bei The Hulk, einer hierzulande weitgehend unbekannten Figur aus der amerikanischen Comicschmiede Marvel, besonders ausgeprägt: Wenn der Molekularbiologe Bruce Banner (der Newcomer Eric Bana) wütend wird, schlägt seine zweite Natur, eine Mischung aus fehlgeschlagenem DNA-Experiment und Gammastrahlenverseuchung, durch, und der etwas gehemmte Wissenschaftler mutiert zum grünen Koloss, der im Zerstörungstaumel alles kurz und klein schlägt. Es geht also um eine besonders extreme Form der Persönlichkeitsspaltung, und im Zentrum des Films steht denn auch nicht der Kampf gegen einen fiesen Superbösewicht, sondern Bruces innerer Konflikt. Hier weicht der Film bereits deutlich vom Genrestandard ab und eröffnet sich damit die Möglichkeit, wirklich auf seine Hauptfigur einzugehen. Lee scheint für ein solches Vorhaben der ideale Regisseur zu sein, hat er doch bei Crouching Tiger, Hidden Dragon eindrucksvoll gezeigt, dass er es versteht, wirklich intelligentes Actionkino zu machen. Doch obwohl das Drehbuch in einigen wichtigen Punkten vom Mainstream abweicht und dem Publikum nicht nur 08/15-Kost liefert, ist es insgesamt doch ziemlich dürftig und macht es dem Regisseur schwer, seine wahren Qualitäten zu zeigen.

Anstatt die Dinge simpel zu halten, wird Bruce mit Problemen und Neurosen geradezu überschüttet. In Abwandlung des bekannten Schemas muss der Protagonist als Kind hier zwar nicht die Ermordung seiner Eltern ansehen – normalerweise die Urszene jedes Superhelden –, stattdessen ist er Zeuge, wie sein Vater (Nick Nolte) versehentlich die Mutter tötet. Dieser ist ausserdem für Bruces genetische Abnormität verantwortlich, und als wäre das immer noch nicht genug, ist wiederum der Vater von Bruces Freundin Betty beim Militär, welches auch Interesse an dem Hulk bekundet.

Bruce ist also nicht nur ein Monster, sondern ringt auch mit einem Kindheitstrauma, wird von nächtlichen Albträumen geplagt, hat ein veritables Vater-Problem und wird von der Armee verfolgt. Obwohl der Film offensichtlich darum bemüht ist, das Seelenleben seiner Figuren ernst zu nehmen, kann er nie überzeugen, zu viel wurde da ins Drehbuch reingepackt. In seinem Bemühen Brücken zu schlagen, hat es Lee ein bisschen zu gut gemeint. Mythologische Motive neben Popzitaten und vulgär-psychologischem Ramsch, das ist selbst für den grössten Superhelden starker Tobak. Bruce/Hulk gehört dringend auf die Couch. Doch für eine gründliche Analyse bleibt keine Zeit, man muss ja in Spielfilmlänge bleiben, und so kommt es denn, dass Drehbuch und Hauptdarsteller – und mit ihnen der Zuschauer – in dem überladenen Plot vollkommen die Orientierung verlieren.

Auch visuell kann der Film nicht so recht überzeugen. Zwar arbeitet Kameramann Frederick Elmes gekonnt mit Leitmotiven wie der Farbe Grün und den verschachtelten Strukturen chemischer Moleküle, und in Anlehung an die Vorlage wird die Leinwand immer wieder in comicartige Panels zergliedert, die eigentliche Hauptsache, der Hulk selbst, wirkt aber immer ein wenig lächerlich. Wenn der digitale Riese einen Panzer wie eine Getränkedose zerquetscht, hat das zwar durchaus Unterhaltungswert, einen emotionalen Bezug kann der Zuschauer zu diesem Geschöpf – ganz im Gegensatz etwa zu seinem Cousin Shrek – aber kaum aufbauen.

The Hulk in der Internet Movie Database

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