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Filmischer Turing-Test
Ex Machina von Alex Garland

Kein Zweifel, hier kennt jemand sein Material. Ex Machina ist ein Science-Fiction-Thriller, zugleich aber auch eine Art Meta-Film, eine filmische Bilanz zur Motivgeschichte des künstlichen Menschen. Die Frage, was uns zu Menschen macht, wo die Grenze zwischen lebendigem Bewusstsein und kalter elektronischer Datenverarbeitung verläuft, ist spätestens seit Ridley Scotts Blade Runner ein beliebtestes Thema im Science-Fiction-Kino.

Alicia Vikander

Was ist Bewusstsein?

Ex Machina reiht sich mit zahlreichen offenen und versteckten Hinweisen bewusst in diese Tradition ein. Bereits der Auftakt in einer Eis-Landschaft ist wohl als Referenz an den Ur-Text des Genres gedacht. Denn in Mary Shelleys Roman Frankenstein bildet eine Nordpol-Expedition die erzählerische Klammer. Die ödipal-morbide Dynamik von Shelleys Romans – Frankenstein verwendet zu Beginn alle seine Kraft darauf, um Leben zu schaffen, nur um sich dann angewidert von seiner Kreatur abzuwenden – treibt auch Alex Garlands Film an. Allerdings ist dessen künstliche Protagonistin alles andere als abstossend. Zwar ist sie dank halbtransparentem Körper deutlich als Maschine erkennbar, ihr Schöpfer Nathan hat sie aber mit durchaus attraktiven weiblichen Formen versehen. Der junge Programmiere Caleb, der die künstliche Schöne testen soll, ist denn auch sofort in ihren Bann geschlagen.

Wie lässt sich Bewusstsein überprüfen? Im sogenannten Turing-Test kommuniziert ein Mensch via Tastatur und Bildschirm mit zwei nicht sichtbaren Gesprächspartnern – einem menschlichen und einer Maschine. Wenn der Fragesteller nicht entscheiden kann, welcher der beiden der Mensch ist, sind gemäss dem Mathematiker Alan Turing die Bedingungen für Intelligenz erfüllt. Ava, so der Name der Maschinenfrau, ist freilich viel weiter, bei ihr stellt sich eine grundlegendere Frage, die Turing ausblendet: Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen einer hoch entwickelten Simulation und echtem Bewusstsein? Oder ist Letzteres – wie gewisse Versuche der Hirnforschung suggerieren – ohnehin eine Illusion?

Oscar Isaac und Domhnall Gleeson

Nathan (Oscar Isaac, l.) und Caleb (Domhnall Gleeson).

Caleb trifft Ava zu täglichen Sitzungen und rasch entspinnt sich zwischen den beiden und Nathan ein Macht- und Verführungsspiel. Vorderhand soll Caleb beurteilen, ob Ava als künstliche Intelligenz überzeugt. Doch führt Nathan, dieser zwischen überlegener Coolness und aggressiver Arroganz oszillierende Geek mit Hipster-Bart, nicht doch etwas anderes im Schild? Wer ist in diesem Setting eigentlich das Versuchskaninchen – Caleb oder Ava? Und ist die Roboterfrau so unschuldig, wie sie vorgibt, oder zieht am Ende gar die Maschine die Fäden?

Ex Machina ist – wie im Grunde jedes Kammerspiel – deutlich als Versuchsanordnung angelegt. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Handlung fast ausschliesslich in Nathans abgeschiedenem Anwesen spielt. Einem Hightech-Haus, das trotz seines gestylten Innern primär eine Forschungsanlage ist. Überall hat es Kameras, jeder Schritt wird protokolliert; Nathan – nicht zufällig der Erfinder einer Supersuchmaschine – hat stets die Kontrolle. Die Inszenierung als Experiment lässt einen auch über einige inhaltliche Ungereimtheiten hinwegsehen. Etwa über die Tatsache, dass ein Wunderwerk wie Ava von einem einzelnen Menschen im Alleingang entwickelt worden sein soll. Es geht hier nicht um eine realistische Geschichte, sondern um den fintenreichen Kampf zwischen den Figuren.

Alex Garland, der hier erstmals als Regisseur fungiert, hat in der Vergangenheit bereits zu mehreren Science-Fiction-Filmen das Drehbuch geschrieben, unter anderem für Danny Boyles 28 Days Later und Sunshine. Filme, die alle mehr sein wollten als blosse Genre-Dutzendware, die sich der anspruchsvollen Science Fiction verschrieben hatten – mit unterschiedlichem Erfolg. Ex Machina bildet da keine Ausnahme, erfindet aber wie schon Garlands frühere Filme das Genre nicht neu, sondern kombiniert vor allem bekannte Elemente. Was den Film dabei interessant macht, ist weniger die Ausgangslage als die Art und Weise, wie die Figuren interagieren. Von den drei Akteuren ist keiner naiv; vor allem Caleb ist viel zu sehr Nerd, als dass er nicht schnell ahnen würde, dass hier etwas nicht stimmt. Sind die Stromausfälle, welche das Anwesen regelmässig heimsuchen, echt? Sind während dieser Zeit tatsächlich alle Überwachungskameras ausser Funktion oder geht es Nathan vielmehr darum zu sehen, was Ava und Caleb besprechen, wenn sie vermeintlich unbeobachtet wähnen?

Die Spannung baut zu einem guten Teil darauf auf, dass Caleb sehr überlegt handelt. Zugleich vertraut Ex Machina darauf, dass das Publikum seinerseits mitdenkt und sich von Calebs Zweifeln anstecken lässt. Dies gipfelt in einem paranoiden Höhepunkt, in dem sich dieser – komplett verunsichert, ob er nicht auch eine Maschine ist – panisch vor dem Spiegel untersucht und sich schliesslich den Arm aufschneidet.

Ex Machina ist ein gekonnt gebauter Thriller, der aber etwas zu angestrengt mehr sein will. Die imposanten Landschaftsbilder, die den klaustrophobischen Innenaufnahmen gegenübergestellt werden und von denen etwas Romantisch-Dräuendes ausgeht, machen es deutlich: Garland strebt den grossen Wurf an. Dass ihm das nicht ganz gelingt, liegt ironischerweise just daran, dass sein Film so tief in der Genretradition verwurzelt ist, dass er primär wie eine raffinierte Neukombination bekannter Bauteile erscheint. Ein Stück sehenswertes Genrekino lässt sich auf diese Weise zimmern, aber nur schwer ein Film, der über das Bestehende hinausweist und neue Perspektiven eröffnet.

Erschienen im Filmbulletin 7/15.

Ex Machina in der Internet Movie Database.

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