Zum Inhalt springen

Die andere Bankenkrise
Drag Me to Hell von Sam Raimi

Sam Raimi kehrt zu seinen Wurzeln zurück: Nach drei Spider-Man-Filmen zieht es ihn offensichtlich wieder zum Horrorgenre, in dem er zu Beginn der achtziger Jahre mit Evil Dead seinen Einstand gegeben hat. Statt einem Megablockbuster inszeniert der Regisseur wieder schleimig-unheimlichen Klamauk.

Unzufriedene Bankkunden wehren sich

Unzufriedene Bankkunden wehren sich

Dass falsche Anreize im Bankenwesen zu Katastrophe führen können, dürfte mittlerweile ja hinlänglich bekannt sein. Bei der Bank, in der Christine (Alison Lohman) tätig ist, hat sich das allerdings noch nicht herumgesprochen, und so entwickelt sich ein erbarmungsloser Wettkampf zwischen der ehrgeizigen jungen Frau und ihrem Kollegen um eine anstehende Beförderung. Nur deswegen verweigert Christine einer alten Frau die Verlängerung ihrer Hypothek. – Dabei weiss doch jedes Kind, dass man osteuropäisch gekleidete Frauen mit Glausage und grünen Fingernägeln nicht provozieren soll. Tut man es doch, kriegt man schnell einen Fluch angehängt

Die feministische Filmwissenschaftlerin Linda Williams hat den Horrorfilm in einem mittlerweile klassischen Aufsatz als «Body Genre» bezeichnet; als ein Genre, bei dem der Zuschauer im Idealfall die körperlichen Torturen der meist weiblichen Hauptfigur nachfühlt. Ganz in diesem Sinne stehen bei Drag Me To Hell weniger die typischen Schreckmomente im Vordergrund – obwohl es die auch gibt –, sondern alle denkbaren Formen physischen Ekels. Wenn Christine sich zu Beginn eine regelrechte Prügelei mit der alten Frau Ganush liefert, geht es nicht nur sehr undamenhaft zur Sache, der Film liefert bereits hier ein wahres Crescendo von Geifer und Schleim; daneben machen sich Gebiss und Glasauge der resoluten Greisin des Öfteren selbständig.

Freilich ist dies nur der Auftakt, denn die säumige Bankkundin hat Christine einen Lamia auf den Hals gehetzt. Lamias sind unfreundliche Ziegendämonen, die ihre Opfer drei Tage lang quälen, um sie dann mit in die Hölle zu nehmen (womit auch der Titel des Films erklärt wäre). Christine ist von dieser Aussicht naturgemäss wenig begeistert und sucht – darin bleibt sie ganz die uneinsichtige Bankfrau – nach einem Weg, um die Schuld zu begleichen. Doch das ist alles andere als einfach, denn wenn ein Fluch mal in die Welt gesetzt ist, wird man ihn nicht so schnell los. Das Darbringen der eigenen Katze als Besänftigungsopfer nützt ebensowenig wie eine Séance mit einem erprobten Medium. Christine muss den Fluch in Form eines Mantelknopfes an jemanden weitergeben. Doch wer hat diesen «toxischen Posten» verdient, an wem bleibt der Fluch am Ende hängen?

Geschichte und Dramaturgie von Drag Me to Hell sind klassisch, die Wendung zum Schluss lange vorbereitet und wenig überraschend. Doch wäre es verfehlt, dies dem Film vorzuwerfen, denn Raimi erweist hier offensichtlich seinen eigenen Anfängen die Referenz. Drag Me to Hell ist ein bewusst altmodischer Horrorfilm, der seine nicht-digitalen Ekelattacken genüsslich und mit einem Augenzwinkern zelebriert.

Erschienen in der Basler Zeitung vom 11. Juni 2009.

Drag Me to Hell in der Internet Movie Database

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

4 + sechzehn =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.